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Reiseschule Allerlei zu Nutz und Kurzweil für Touristen und Kurgäste Von Adolf Gumprecht · XII, 312 S. 1876 3. A. VIII. Die Poesie der Reise, 271–275:
Eine häufig nachgesprochene Anklage ist die:. mit den Eisenbahnen sei alle Poesie der Reise verschwunden Die Poesie liegt doch aber nicht in den Dingen, sondern in der Betrachtungsweise, die wir ihnen widmen, und eine Großthat des Menschengeistes, die eine dämonische Naturkraft unterjochte, über Zeit und Raum, die alten Gewalthaber der Welt, einen glänzenden Sieg davontrug, mithin der Phantasie reiche Nahrung bietet, kann nur poetisch sein.
Im späteren Lebensalter schauen wir aber mit sehnsüchtiger Wehmuth auf die Vergangenheit zurück, sie erscheint uns in verklärtem Lichte, wer aber wollte ergründen, wieviel Antheil an diesem unseren jugendlichen Anschauungen zukommt, und wieviel den Gegenständen selbst? Traulicher, idyllischer, in gewissem Sinne gemächlicher war die alte Art der Reise, die Klänge des Posthorns thaten dem Ohre wohler als die gellenden Locomotivenpfiffe auch das Schnurren der Räder, Trappen der Pferde und sanfte Klappern des Wagens hörte sich besser an, als das jezige betäubende Gerassel der Waggonfenster und das ewige Tftftftftftf der Maschine, welches als basso ostinato jedes Gespräch verfolgt und bald müdehetzt. Die langsame Bewegung und das lange Beisammensein waren auch geeigneter, Bekanntschaften zu vermitteln, während man jetzt in den Coupés kaum Notiz von einander nimmt: jede Station kann Nachbaren auseinanderreißen und neue zusammenführen. Auch ist nicht zu verkennen, daß das sogenannte Reisefieber – eine Unruhe die fort und fort nach der Uhr zu sehen treibt, Nachts den Schlaf, am Tage gesammeltes Denken stört – seitdem es Eisenbahnen giebt, einen hizigeren Charakter angenommen hat. Alles das räume ich ein, behaupte aber, die Poesie der Reise hat nichts verloren und ihre Ergiebigkeit wesentlich gewonnen. Niemanden ist es verwehrt, die Schienen nur als Mittel zu betrachten, um sich rasch dahin schleudern zu lassen, wo die eigentliche Reise erst beginnen soll; diese selbst können wir unzweifelhaft mit weniger Aufwand an Zeit, Mühe und Geld nach ihren Zwecken und unseren geistigen und gemüthlichen Ansprüchen gestalten. Sie ist ferner nicht mehr ein Vorrecht der Reichen. Wir können öfter und brauchen nicht mehr so lange zu reisen, können ohne große Opfer, sobald sich Sättigung einstellt, zurückkehren, die Fortsetzung verschieben, bis die empfangenen Eindrücke innerlich verarbeitet sind, und Versäumtes leicht nachholen.
Endlich hat die Ortsveränderung aufgehört lebensgefährlich zu sein, wie vordem und Testamentmachen zählt nicht mehr unter die Reisevorbereitungen. Sehnen wir sie also nicht zurück in die gute alte Zeit mit ihren vierräderigen Folterinstrumenten, ihren grundlosen Straßen, ihren aber- und abermaligen Paß- und Zollvisitationen ihren Accise-, Wege-, Fähr-, Brücken- und Geleitgeld-Einnehmern (mit Stangen an denen eine Nachtmüze befestigt war) ihrer Münzwährungsverwirrung, jene Zeit, in welcher die Rechnung nicht nach Stunden, sondern nach Wochen gemacht wurde.
Entschluß zu einer Reise, Vorbereitung und Aufbruch ist jetzt oft Sache eines Tages, während ehemals ein junger Mann, nachdem er seine Studien oder kaufmännische Vorbereitungszeit zurückgelegt, auf halbe und ganze Jahre in die Welt ging, dann heimkehrte ein Amt oder ein Geschäft übernahm, heirathete und Kindern und Enkeln von seiner „großen Reise“ erzählte, nie aber an eine zweite dachte.
Viele Großstädter betrachten eine jährliche Reise als einen Theil ihres Lebensrhythmus. Einige erheitern sich Winterabende durch Ausarbeitung und Ausmalung ihres nächsten Sommerfahrplans, die Meisten überlegen und berathen nicht lange, welche Länder zu besuchen, welche Punkte zu berühren seien.
Hat nur erst unser Eisenbahnwesen seine Flegeljahre hinter sich – ihren grellsten Ausdruck finden diese in der Behandlung des Gepäcks von Seite der Bahndiener, so wird auch gewiß noch manches Lästige und Mißliche abgestellt werden, wie schon in neuester Zeit ein Anfang gemacht ist, Dank dem taktvollen Eingreifen des Reichseisenbahnamts.
Man wird wohl nun auch neue Mittel finden, für die Sicherheit der lebendigen Fracht zu sorgen, ohne ihre persönliche Freiheit mehr als nothwendig und rathsam zu beschränken; man wird in allen Wagen eine Vorrichtung für Nothsignale anbringen, auch die Befugnisse der Bahnbeamten werden theils engere, theils weitere Grenzen erhalten.
Die Handhabung des Dampfboot- und Eisenbahnbetriebs in Amerika bestätigt zwar, daß dort Menschenleben wenig gilt, andererseits scheint aber die Praxis europäischer Bahnen in Bezug auf Selbsthilfe bei plötzlicher Gefahr, Auf und Absteigen, während der Zug in Bewegung, nicht durchweg ihrem Zwecke zu entsprechen.
Manche ausländische Einrichtungen ließen sich wohl auch bei uns mit Vortheil einführen, z. B. in Bezug auf Markirung des Gepäcks, Ventilation, Waschapparate, Schutz gegen Staub und Sonne etc. Wagen, die den Durch- und Uebergang in benachbarte erlauben, sind erst auf wenigen Bahnen eingeführt. Hoffentlich wird man ferner bald allgemeiner begreifen, daß auch die Insassen der Schnellzüge Bedürfnisse haben, die Rücksicht verdienen. So sind, abgesehen von anderen Bequemlichkeiten, schon hier und da Menagekörbe eingeführt, welche ein civilisirtes Mahl ermöglichen, damit man nicht siedend Heißes verschlingen oder bezahlen und dem Nachfolger überlassen muß; anderwärts giebt es besondere Speise- und Schlafwaggons, Schlafsessel etc.
Der Wagenwechsel sollte mehr eingeschränkt; die ewigen Verspätungen und die damit zusammenhängenden willkürlichen Kürzungen der Fahrpausen vermieden; ferner das so oft ganz unnöthige Zusammenpferchen der Personen unterlassen werden (eine Verfügung des preußischen Handelsministers verbietet es, und Manche pflegen einen Abdruck derselben auf Leinwand gezogen bei sich zu führen, um ihn gelegentlich renitenten nach Trinkgeldern angelnden Schaffnern unter die Nase zu halten).
Sodann sollten in allen Wagenklassen Coupés für einzelne Damen vorhanden sein; auch in II. Klasse das Rauchen nicht in einzelnen, meist überfüllten Coupés verboten, sondern nur in eigenen Rauchcoupés erlaubt sein.
Ferner sollten die Schaffner unter Strafandrohung verpflichtet sein, auf jeder Station wo einige Minuten verweilt wird, den Ortsnamen und die Aufenthaltsdauer der Art auszurufen, daß der Fahrgast jeder Klasse, der Ohren hat, zu hören, es wirklich vernehmen kann. Auch dürfte unterwegs nie Musikantenunfug geduldet werden. Abfahrtszeiten und Anschlüsse so zu legen, daß alle verschiedenen In teressen berücksichtigt sind, ist ein Ding der Unmöglichkeit, etwas praktischer, als zur Zeit noch hier und da der Fall ist, läßt es sich aber gewiß machen.
In der erhofften neuen Eisenbahn-Aera werden dann auch geschickte menschenfreundliche Techniker erstehen, welche dafür sorgen, daß alle Fenster gehörig in ihre Rahmen passen, damit dem markerschütternden Rasseln gesteuert wird, durch welche Vielen die Bahnfahrt zur Qual wird. Ich kenne eine Dame, die bei ihrer allsommerlichen Badereise Umwege nicht scheut, um die besonders geräuschvollen Linien zu umgehen. Die englischen Bahnen nehmen in musterhafter Weise Bedacht auf möglichste Geräuschlosigkeit aller Verrichtungen.
Feurige Kohlen würden die Techniker ferner auf unseren Häuptern sammeln, wenn sie durch eine Vorrichtung dafür sorgten, daß dies nicht mehr im buchstäblichen Sinne geschähe und die Dampfwagenreise nicht zu einer Ruß- und Bußfahrt würde, welche wir zurücklegen, die Gewänder mit Asche bestreut, die Augen thränengefüllt (ob der Kohlenschlacken die hineingeschleudert werden).
Um die Augen von Staub zu reinigen, wird empfohlen, die Lider zu heben und einen kleinen Haarpinsel über die inneren Flächen zu führen. Von Waffen gegen den Staub giebt es Staubbrillen Staubhemden und Staubrespiratoren. Lektere sind den gewöhnlichen Respiratoren ähnlich, nur ist anstatt des Silberdrahtgeflechts innerhalb des Mundstücks eine von Draht gebildete Kapsel angebracht, in der 3fache Flanellstücke liegen, die oft erneuert oder gereinigt werden. Eine neuere Art verwendet Watte dafür und deckt Mund und Nase. Nun aber zurück zur Reiseliteratur.