G. Kühn
: Der gleislose Erdbau. Berlin Springer 1956Dies ist eine alte Version des Dokuments!
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Geleisestraßen
Im neuen Gleise geht der Wagen wohl. Wer aus dem Gleise kommen ist, dem muss man wieder hineinhelfen. Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander
Geleisestraßen sind Einrichtungen für das Fahren im Gelände, aber keine Pisten, es sind angelegte Straßen, keine Wege. Es gab sie sicher in römischer Zeit, wahrscheinlich bereits vorher und sie wurden bis ins 16. und 17. Jahrhundert gebaut, dann jedoch durch den Bau von glatten Fahrbahnen abgelöst 1). Möglicherweise hängt dies zusammen mit der Verbreitung der gefederten Kutsche ab dem 16. Jahrhundert und der Einführung des Postkutschensystems im 17. Jahrhundert.
Etymologie
Aus der indogermanischen Wurzel *leis- im Sinne einer ‘Ackerfurche’, die durch den Boden gezogen wurde, übertragen auf die Furche der Wagenräder, die diese durch das Fahren im Boden hinterlassen (9. Jh. ahd. waganleisa ‘Wagenspur’) 2), dann abstrahier als geleise (14. Jh. spätmhd.) für die Rille im Boden, die das Rad führt, damit es nicht `entgleist´. Daher meint `entgleisen´ auch ein unkontrolliertes, ausfallendes Verhalten. Anschließend muss man die Sache wieder in das rechte Gleis bringen.
Geleisestraßen entstanden natürlich dort, wo schwere Wagen immer wieder dieselbe Spur nahmen.
Geleisestraßen wurden jedoch meist gezielt angelegt, damit sie lenkbar und bremsbar blieben, also an Gefällestrecken auf felsigem Gelände. Natürliche Geleise sind daher wannenförmig ausgefahren (Spurrinnen), während führende Geleise mindestens vier Zentimeter tiefe U- oder V-förmige Spuren aufweisen. Weil dadurch die Seitenkräfte geringer werden, kann die Zugkraft an Steigungen optimaler genutzt werden. Solche angelegten Geleisestraßen unterscheiden sich daher auch durch die Trassenführung (Breite, Steigung, doppelte Geleise) von durch Abnutzung entstandenen Geleisewegen und sind häufig Hohl- oder Hangwege. Experimentell (Schneider 2007) wurde ermittelt, dass Steinmetze im Kalkgestein 5–7 m, im Gneis 1,5–2 m und im Granit bis zu einem Meter Geleise täglich erstellen können. Die Spurweite war zumindest regional standardisiert, damit die Wagenbauer dies bei der Spurbreite berücksichen konnten.
Literatur
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Sind Karrengeleise ausgefahren oder handgemacht?
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Randbemerkungen zur „Via Claudia Augusta“
I: Karrenweg oder Monumentalstraße?
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Uwe Topper
Unerklärliche Felsengleise. 25 Jahre Forschung und keine Lösung des Rätsels in Sicht.
Synesis 3 2016 50-57- Veling, Alexander. „Altwegeforschung. Forschungsstand und Methoden.“ (2014). aventinus varia Nr. 44 [28.03.2014] https://www.aventinus-online.de/varia/wissenschaftsgeschichte/art/Altwegeforschun/html/ca/view.html