Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:bildungsreise

Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Bildungsreise

Reisen bildet, weil Erfahrungen unvermeidbar sind und sich so Gelegenheit bietet (Neugier), mit Neuem umzugehen, also etwas hinzuzulernen.

Damit wird die Reise aber nicht zur Bildungsreise, Forschungsreise oder Studienreise. Der wesentliche Unterschied liegt im Zielsystem. Dieses richtet sich primär auf den Kreislauf von Information (Stoff und Energie sind dagegen nur Medium), also den Austausch, die Verarbeitung und die Übertragung von Information zum Aufbau von Wissen. Voraussetzung dafür ist eine Informationsquelle.

  • Eine Bibliotheksreise sucht nach vorhandenem, aber vielleicht verschüttetem Wissen im Speichermedium ‚Buch‘ an anderen Orten.
  • Eine Studienreise richtet den Fokus auf einen bestimmten Gegenstand (z. B. Gotische Kirchen), bedarf jedoch eines Mediators (z. B. Studienreiseleiter), der sach- und fachkundig die Perspektive auf diesen Gegenstand erläutert (z. B. Kirchengeschichte, Kunstgeschichte, Architektur …) und das Wissen systematisiert. Ihr Ziel ist es, die persönliche Bildung zu erweitern.
  • Die Forschungsreise soll neues Wissen erschaffen und fokussiert dabei ihr erkenntnisleitendes Interesse auf eine Wissenslücke. Ihr Ziel ist es, den Stand der Wissenschaft zu erweitern. Voraussetzung dafür sind die Kenntnis des bekannten Wissens, eine klare Fragestellung und eine Methodik zur Untersuchung.
    • Dabei kann die Exkursion eine Form des Probehandelns sein, etwa zur Ausbildung von Studenten.
    • Die Expedition überschreitet eine weitere Grenze, weil sie ins Unbekannte führt, also nicht auf Vorwissen zurückgreifen kann, also auch flexibel in der Methodik sein muss.
  • Christian v. Zimmermann (Herausgeber und Vorwort)
    Wissenschaftliches Reisen - reisende Wissenschaftler. Studien zur Professionalisierung der Reiseformen zwischen 1650 und 1800.
    Cardanus Jahrbuch für Wissenschaftsgeschichte Heidelberg 2003: Palatina. Online
    Von Zimmermann entwirft im Vorwort (S.7–18) mögliche Perspektiven auf die 'Gelehrtenreise', so unterscheidet er dort etwa deren Funktionen zur Wissenserweiterung (etwa mittels Bibliotheksreisen), zur Kommunikation (mittels Reisen zu anderen Gelehrten), zur eigenen Ausbildung (Studienreise), zur empirischen Datenaufnahme (Forschungsreise).

Rezension in DER TROTTER von Norbert Lüdtke zu

Thomas Freller
Die Erfindung der Bildungsreise
Thorbecke Ostfilder 2007
Pappband mit Umschlag 13x21,5 cm: 232 Seiten, 24 Textabb., Auswahl-Bibliographie 

Unter Globetrottern ist es Konsens, dass Reisen mannigfach bildet. Wenn man es zuläßt, sammelt man beim Reisen nicht nur Erfahrungen, sondern es entwickelt sich ein tieferes Verständnis der Welt und seiner selbst. Stärken, Schwächen, Möglichkeiten werden täglich neu getestet.

Das wußten auch schon die Altvorderen. Und so wurde zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert die »Bildungsreise« gepflegt, Peregrinatio academia. Keine Karriere ohne eine mehrjährige Reise durch Europa. Waren es anfangs eher Adlige, die auf eine »Grand Tour« gingen, so wandelte sich die Methode später zum erfolgreichen Modell aller Schichten, zunächst als »Cavalierstour« oder »Junkerfahrt«, dann als Bildungsreise und so auch als Vorläufer der Studienreise und des Bildungstourismus (»Bildungslandstreicher«). Und so läßt sich durch die Geschichte ein roter Faden erkennen, der vom müßigen, neugierigen und bildungsbeflissenen Gentleman zum Globetrotter führt.

Der Autor ist Historiker und gilt als Spezialist für die Geschichte des Mittelmeerraumes, er arbeitet als Dozent, Lektor und Publizist. Doch das vorliegende Buch ist keine akademische Untersuchung, die etwa den Wandel der Motive bloßlegen würde oder eine zeittypische Typologie entwickelt. Vielmehr hat der Autor das Publikum im Auge und sucht nach Exemplaren dieser reisenden Spezies, die vom Regelfall abwichen, sei es aus Neugier, Wissensdurst oder Abenteuerlust. Die hier vorgestellten Persönlichkeiten sind daher die Ausnahmen von der Regel:

  • Bernhards von Hirschfelds Touren in Ägäis und Levante
  • Ahasverus von Lehndorffs zehnjährige Europatour
  • Otto Friedrich von der Gröben auf Korsarenschiffen … 18 Reisende werden vorgestellt, darunter Elisa von der Recke als einzige Frau.

Verweise

wiki/bildungsreise.1766725525.txt.gz · Zuletzt geändert: von Norbert Lüdtke